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"Es braucht eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft"

Alle Menschen sollen gleichberechtigt am Leben teilhaben können – mit und ohne Behinderung. So steht es seit 15 Jahren in der UN-Behindertenrechtskonvention. Trotzdem ist das im Alltag oft noch nicht Realität. Welche Vorteile hat Inklusion, wie gelingt sie und was bringt dabei die Quote für Unternehmen? Darüber unterhielten wir uns mit Bärbel Grüll, der Vorsitzenden der SRH Schwerbehindertenvertretung.

Liebe Bärbel Grüll, jedes Jahr am 3. Dezember wird der UNESCO Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen begangen. Worum genau geht es da?

An diesem Tag soll darauf hingewiesen werden, wie wichtig es ist, die Rechte von Menschen mit Behinderung zu sichern, damit sie in vollem Umfang gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben. Er soll Aufmerksamkeit für wichtige Themen im Zusammenhang mit der Inklusion von Menschen mit Behinderung generieren, die Sensibilisierung für Behindertenfragen fördern und auf die Vorteile einer integrativen und barrierefreien Gesellschaft für alle aufmerksam machen.

Das klingt löblich – gleichzeitig aber auch recht abstrakt und unkonkret…

Zunächst einmal sollte man festhalten, dass dieser jährlich stattfindende Internationale Tag der Menschen mit Behinderung 1992 durch eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingeführt wurde. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrung der Menschenrechte. Wie das gelingt, wurde dann 2008 in der UN-Behindertenrechtskonvention festgehalten. Und Inklusion zahlt zudem auf die von der UN definierten Nachhaltigkeitsziele ein. Und da geht es ganz konkret darum, friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz zu ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen.

...und das Einzahlen auf diese Nachhaltigkeitsziele ist nebenbei bemerkt ja Teil der Unternehmensstrategie der SRH... Bärbel, Du bist Vorsitzende unserer Schwerbehindertenvertretung (SBV). Was sind die Ziele, was ist die Arbeit der SBV?

Als Schwerbehindertenvertretung fördern wir die Eingliederung schwerbehinderter Menschen, vertreten ihre Interessen im Betrieb zu und stehen ihnen beratend und helfend zur Seite. Das bezieht sich auf alle Angelegenheiten, die eine einzelne Person wie auch die bei der SRH tätigen Schwerbehinderten als Gruppe betreffen.

Ich bin Schwerbehindertenvertreterin an unseren SRH Schulen GmbH und wurde dieses Jahr für eine weitere Legislaturperiode zur Konzern-SBV gewählt. Diesen Zeitraum möchte ich nutzen, um die Konzern-Inklusionsvereinbarung, die wir 2022 schlossen, in unsere SRH-Unternehmen zu bringen und zur Umsetzung motivieren. Diese Vereinbarung bietet viele Möglichkeiten, um Menschen mit Behinderung in unsere Unternehmen zu bringen und andere, die schon für die SRH arbeiten, zu fördern.

In unseren Köpfen muss sich der Gedanke festsetzen, dass von jedem Bewerber die gleiche Leistung zu erwarten ist. Man darf auch bei der Einstellung Schwerbehinderter ruhig mutig und konsequent sein.
Bärbel Grüll, Vorsitzende der Konzernschwerbehindertenvertretung der SRH

Ich frage jetzt einmal bewusst provokativ und generalisierend: warum sollten in einem Unternehmen Menschen mit Behinderung arbeiten? Und wie bringt man denn Menschen mit Behinderung in ein Unternehmen wie die SRH?

Spannend, dass es diese Frage immer noch gibt. Es arbeiten in vielen Unternehmen Menschen mit nicht-sichtbaren Behinderungen. Diabetes, Krebs und andere Erkrankungen, die zu einem Grad der Behinderung führen, sind hier zu nennen. Dies sind in der Regel erworbene Erkrankungen, und – schwupps – beschäftigt das Unternehmen plötzlich einen Behinderten.

Ein Argument, das für die Einstellung eines Behinderten spricht, ist die Diversität. Jede und jeder kann eine neue Sichtweise auf Menschen, seine Arbeit oder das Produkt bzw. die Dienstleistung einbringen.

Zu der zweiten Frage habe ich mehrere Ideen. Da gibt es zum Beispiel die Jobplattform myAbility.jobs, auf der Unternehmen gezielt nach Bewerbern mit Behinderung suchen können. Wir bilden in unseren Bildungsunternehmen viele Menschen mit Behinderung aus. Davon arbeiten auch schon einige bei uns. Bei der Agentur für Arbeit könnte man gezielt nach Bewerbern fragen. Die AfA schickt zwar von sich aus Bewerber für Stellenangebote, aber warum hier nicht die engere Zusammenarbeit fördern?

Anfangs sprachst Du von einer „gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft“. Tatsächlich ist es aber immer noch so, dass es Menschen mit Behinderungen nicht nur im Alltag, sondern auch im Beruf ungleich schwerer haben. Was können wir als SRH, aber auch als Mitbürger tun, um das zu adressieren?

Es gibt Barrieren, die wir in Kauf nehmen solange sie uns nicht betreffen. Das kann der ÖPNV sein, der samstags nicht über die Dörfer fährt. Ich erwähne dieses Beispiel, weil es für eine junge behinderte Frau ohne Führerschein keine Möglichkeit gibt, an einem Samstag für die SRH zu arbeiten, obwohl sie geeignet wäre. Der ÖPNV ist für viele Menschen im Rollstuhl oder am Rollator nicht nutzbar, weil einige Stufen in den Bus zu bewältigen sind. Es wäre viel einfacher für alle, wenn die Busse und Bahnen flächendeckend barrierefrei wären. Dann gäbe es an dieser Stelle keinen Unterschied mehr zwischen behindert und nicht-behindert.

Wir haben bei der SRH heute schon Standorte, die fast komplett barrierefrei sind. Ich denke da an unseren Standort in Neckargemünd. Der ÖPNV hält vor der Türe und ist ebenfalls barrierefrei.

Als Mitbürger gibt es viele Möglichkeiten, sich einzubringen. Auf Gemeindeebene etwa kann für abgesenkte Bürgersteige gesorgt werden. Und man kann sich ehrenamtlich für behinderte Menschen einsetzen. Manchmal hilft auch eine schlichte Geldspende.

In unseren Köpfen muss sich der Gedanke festsetzen, dass von jedem Bewerber die gleiche Leistung zu erwarten ist. Dass manche dafür einen umgebauten Arbeitsplatz benötigen oder eine Arbeitsassistenz haben, muss zweitrangig sein. Dass diese Menschen einen besonderen Kündigungsschutz haben, ist zu deren Schutz und nicht zum Ärgern des Arbeitgebers gedacht. Das Integrationsamt stimmt in vielen Fällen einer Kündigung zu. Das sollte also kein Hinderungsgrund sein, einen schwerbehinderten Bewerber einzustellen.

Es gibt ja als Teil des Schwerbehindertenrechts eine Schwerbehindertenquote, die Unternehmen erfüllen müssen. Wie stehst Du dazu? Bist Du dafür oder dagegen, und warum?

Ja, es ist tatsächlich so, dass in Deutschland alle Unternehmen, die über mindestens 20 Arbeitsplätze verfügen, auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigen müssen. Ich stehe der Quote positiv gegenüber. Das ist eine Pflichtquote. Erfüllt man diese Quote nicht, ist eine Ausgleichszahlung fällig. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2023 gab es im Jahr 2021 knapp 175.000 beschäftigungspflichtige Unternehmen in Deutschland – über 45.000 davon haben nicht eine einzige Person mit Schwerbehinderung beschäftigt!

SRH-weit liegen wir mit etwas mehr als 6 Prozent sogar über dieser Quote – das ist wirklich gut, und das freut mich, schließlich stehen bei uns Menschen im Mittelpunkt all unseres Denkens und Handelns. Aber natürlich könnte diese Quote noch höher sein, deshalb haben wir hier noch einen weiten Weg zu gehen.

Man darf auch bei der Einstellung Schwerbehinderter ruhig mutig und konsequent sein. Wenn dann alle Mitarbeitenden herzlich und einfühlsam sind, dann kann doch fast nichts mehr schiefgehen. Das Onboarding darf dann fundiert und durchdacht sein. Dabei unterstütze ich sehr gerne.

Liebe Bärbel Grüll, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Ihr Pressekontakt
Martin Kussler

Leiter Unternehmenskommunikation

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Christian Haas

Manager Unternehmenskommunikation