Vor der Ferienzeit kommt die Zeugniszeit: Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer von der Heidelberger Akademie für Psychotherapie der SRH gibt Tipps, wie Eltern bei schlechten Zeugnissen reagieren sollten.
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin rät: So gehen Sie als Eltern mit schlechten Zeugnissen um
Die Sommerferien stehen vor der Tür, und die Urlaubsplanung ist in vollem Gange. Doch eine Hürde ist noch zu nehmen, bevor sich Familien hierzulande vollends entspannen können: das Schulzeugnis! Wie ein Damoklesschwert schwebt es jahrjährlich über vielen Schülerinnen und Schülern und somit deren Familien. Wie Sie als Eltern mit schlechten Noten umgehen können, erläutert Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer von der Heidelberger Akademie für Psychotherapie des Bildungs- und Gesundheitsunternehmens SRH.
„Machen Sie sich zunächst klar: Schlechte Zeugnisse kommen vor und sind kein Weltuntergang“, erklärt Helena Dimou-Diringer. „Ein erster wichtiger Schritt besteht in der Haltung: Sicher, Schule sollte ernst genommen werden, aber nicht todernst. Neben der Schule gibt es auch noch ein Leben, in welchem Ihr Sprössling richtig toll ist. Lassen Sie das Ihr Kind unbedingt wissen!“
Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer gibt folgende Tipps:
Die Macht der Zeugnisse
Die Macht des Zeugnisses gründet sich auch auf der Tatsache, dass die schlechten Noten irgendwie auch immer auf die Eltern zurückfallen. Somit entstehen bei nicht wenigen Eltern ebenfalls Schuldgefühle: Hätte ich mein Kind mehr unterstützen müssen? Hätte ich es besser motivieren oder insgesamt strenger sein sollen? Noten wirken so sachlich, dass sie wunderbar darüber hinwegtäuschen, wie gering ihre Aussagekraft tatsächlich ist. Sie zeigen lediglich, wie ein bestimmter Lehrer einen Schüler einordnet, und zwar im Vergleich zu anderen Schülern einer Lerngruppe. Das ist alles.
Zeit also, dieses wenig reliable Konstrukt zu entmachten und das Kind wieder in den Fokus zu rücken. Vielleicht hat sich Ihr Nachwuchs im ein oder anderen Fach sogar verbessert. Somit kann eine Drei für einen bisherigen Vierer-Schüler ein Riesenerfolg sein. Interessant ist auch, dass schlechte Noten Eltern häufig deutlich mehr stressen als Kinder. Viele Schüler sind auch mit „nicht so guten“ Noten zufrieden. Also gönnen Sie sich ruhig eine Runde Gelassenheit.
Bitte bedenken Sie außerdem: Das Zeugnis bildet die Leistungen des Kindes im vergangenen Schuljahr ab und hat keinerlei Aussagekraft in Bezug auf das kommende Jahr. Also Deckel drauf, Ferien genießen und im Herbst von Neuem starten! Mit dieser Haltung fällt Ihnen eine sensible Reaktion Ihrem Kind gegenüber noch leichter.
Wie reagieren?
Positionieren Sie sich als Helfer. Denken Sie aus der Perspektive Ihres Kindes und fragen Sie sich, was sich Ihr Kind womöglich wünscht. Vielleicht hilft es Ihnen, an eigene Zeugniserfahrungen zurückzudenken. Wichtig ist es, Ihrem Kind die Angst vor schlechten Noten zu nehmen. Meistens leidet es selbst genug darunter und weiß schon, dass die Eltern nicht gerade freudig reagieren werden. Außerdem ist Angst in Bezug auf Lernen kein guter Begleiter. Sie blockiert nur und verhindert, dass Ihr Kind echtes Interesse an den Inhalten entwickeln kann. Daher vermeiden Sie Bestrafungen, Beschimpfungen oder Ultimaten. Auch sollten Sie keine Hobbies oder Freizeitaktivitäten streichen, in denen Ihr Kind gut ist und aus denen es Erfolgserlebnisse zieht. Dieser Druck bringt niemanden weiter. Fokussieren Sie stattdessen zunächst auf die guten Noten und das, was gut lief. Wir konzentrieren uns sowieso meist zu sehr auf Negatives. Das können Sie mit dieser Perspektive aushebeln.
Ursachenforschung
Fragen Sie Ihr Kind ruhig, woran es gelegen hat, dass die Noten dieses Mal nicht so gut ausgefallen sind. Denn: Schlechte Noten fallen nicht vom Himmel. Die meisten Kinder haben hierauf eine sehr genaue Antwort. Häufig stehen eine fehlende Lernmotivation, Konflikte mit Lehrern oder sogar Schulangst im Raum. Nur wenn Sie die Ursache kennen, können Sie gemeinsam mit Ihrem Kind an Lösungen arbeiten. Beziehen Sie Ihr Kind dabei unbedingt mit ein. Kinder möchten involviert sein, gerade dann, wenn es um Entscheidungen geht, die sie selbst betreffen.
Besonderheit Pubertät
Gerade wenn es in der Pubertät schlechte Noten hagelt, sind sich viele Eltern unsicher, wie Sie mit Ihren Teeangern darüber sprechen können. Suchen Sie am besten das Gespräch über Lebensträume und Ziele, eventuell wie sich Ihr heranwachsendes Kind sein Leben in zehn Jahren vorstellt. Hierüber können Sie einen guten Bezug zu Bildung, Abschlüssen und letztlich den aktuellen Noten herstellen. Viele Jugendliche leben nämlich im Hier und Jetzt und haben oft noch keine Vorstellung, welche konkreten Folgen ihr aktuelles Handeln hat.
Richtig loben
Selbstverständlich nehmen Kinder einen 10-Euro-Schein als Belohnung für gute Noten gerne mit. Aber Achtung: Viel wichtiger ist es unseren Sprösslingen, eine individuelle Ansprache zu erhalten. Erkennen Sie die Bemühungen Ihres Kindes an und konzentrieren Sie sich nicht nur auf die Noten. So nehmen Sie diesen von vorneherein den Schrecken. Die Devise lautet also: Lob für Engagement, ganz unabhängig von den tatsächlichen Noten.
Und dann ist es doch passiert
Es ist passiert: Sie haben doof reagiert. Was nun? Kein Grund zur Panik. Hier können Sie Ihrem Kind nun ein gutes Vorbild sein und sich entschuldigen. Sie sind auch nur ein Mensch!
Ferien sind Ferien
Die Ferien sollten auch angesichts eines schlechten Zeugnisses nicht ausfallen. Eine Auszeit vom anstrengenden Schulalltag ist wichtig für alle Beteiligten. Wenn überhaupt, sollten sich Kinder erst zum Ende der Schulferien auf das neue Schuljahr vorbereiten.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen schon einmal schöne Sommerferien und einen entspannten Zeugnistag!