Für Pflegeeinrichtungen bedeutet die Corona-Pandemie besondere Einschränkungen. Junge Menschen mit Behinderung zeigen in der SRH Pflege Heidelberg, wie sie trotzdem selbstbestimmt leben.
„Eine derartige Ausnahmesituation habe ich noch nicht erlebt. Doch wir haben uns nicht unterkriegen lassen.“ Wenn Hülya Hayal an die letzten Monate denkt, empfindet sie vor allem Dankbarkeit. Dass sie bisher so gut durch die Corona-Krise gekommen ist, sieht die 24-jährige Rollstuhlfahrerin nicht als selbstverständlich. Seit drei Jahren lebt sie in der SRH Pflege in Heidelberg. Hier hat sie ein barrierefreies Zimmer mit einem Pflegedienst und kann ihr Leben selbstständig gestalten. Dann kam Corona mit Besuchsverbot, Abstandsregeln und zeitweise sogar einer Ausgangssperre.
Die SRH Pflege unterstützt in Heidelberg junge Erwachsene mit körperlichen Einschränkungen auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Eigenverantwortung und Selbstbestimmung sind ein wesentlicher Teil des Angebots. Von einem auf den anderen Tag war das nicht mehr möglich. „Gerade weil die individuelle Freiheit und Gestaltung des Alltags entscheidend sind, haben wir die Bewohner direkt mit ins Boot genommen, wie wir die Maßnahmen umsetzen. So haben die meisten alles mitgetragen“, sagt Heimleitung Judith Schüttler.
Vor allem das Besuchs- und Ausgangsverbot machte allen zu schaffen. Außerdem fiel das gemeinsame Essen weg, jeder bekam die Mahlzeiten aufs Zimmer. „Die Stimmung war nicht immer gut, aber die Mitarbeiter haben alles dafür gegeben, dass wir uns im geschützten Rahmen treffen konnten“, erzählt Hülya Hayal.
Das Konzept, das Haus nach außen abzuschirmen, um den Mitarbeitern und Bewohnern einen möglichst freien Alltag zu ermöglichen, ging auf. Bisher gab es keine Infektion mit COVID-19. Trotzdem gelten in der Pflege weiter strenge Regeln. „Alle unsere Bewohner gehören zur Risikogruppe, umso vorsichtiger müssen wir mit Lockerungen sein“, unterstreicht Judith Schüttler. Immerhin sind Besuche wieder möglich, dafür hat das Team ein extra Zimmer und einen Außenbereich gestaltet.
Das Team kann der Krise auch Positives abgewinnen. Zwischen Bewohnern und Mitarbeitern sei der Zusammenhalt noch stärker geworden, beobachtet die Heimleiterin. „Und unsere Arbeit hat einen neuen Stellenwert bekommen: Im Vorstellungsgespräch erzählen uns Bewerber, dass sie durch die Krise den Bedarf in der Pflege wahrgenommen haben und mitanpacken wollen.“
Hülya Hayal hofft, dass bald wieder Aktivitäten in der Gruppe möglich sind. Aber der größte Wunsch der gelernten Bürokauffrau ist, einen Job zu finden. Sie ist zuversichtlich, denn die Krise hat auch gezeigt: Gemeinsam geht alles.