Wenn die Stimme langsam heiser wird und versagt, kann eine Stimmlippenlähmung der Grund dafür sein. Zu neuer Stimmkraft kommen Betroffene dann durch ein neues, innovatives Verfahren – eingesetzt am SRH Wald-Klinikum Gera.
Tagtäglich hilft sie uns dabei, unsere Meinungen, Wünsche und Emotionen zu kommunizieren. Unsere Stimme. Wenn sie versagt, bedeutet das einen großen Einschnitt – für uns und unseren Alltag.
„Ich habe es selbst erlebt, wie es ist, wenn die Stimme mal fehlt“, sagt Professor Andreas Müller, Chefarzt der HNO-Abteilung am SRH Wald-Klinikum Gera. „Als Spezialist auf dem Gebiet der Stimmlippenchirurgie muss ich viele Vorträge halten, und plötzlich gehorchte mir aufgrund einer Erkältung die Stimme nicht mehr.“
Eine Erfahrung, die auch Melanie Heller (Name geändert) immer mehr beschäftigte. „Ich habe mich zunehmend zurückgezogen“, sagt die junge Frau. „Alle sprechen einen darauf an und dazu kommen noch die Ängste, die einen quälen.“ Hilfe und Unterstützung fand sie schließlich bei Andreas Müller.
Seit über 25 Jahren erforscht der Thüringer Mediziner Erkrankungen des Kehlkopfes und der Stimme – zuerst an der Universität Jena und seit 2005 in Gera.
Die Ursachen dafür können unterschiedlich sein. Manchmal geschieht es sogar ohne erkennbaren Grund. Operationen an der Schilddrüse, der Halswirbelsäule oder am Herzen sowie virale Effekte sind häufig der Auslöser für das Stimmversagen.
Doch zum Glück von Melanie Heller und vielen weiteren erfolgreich behandelten Patienten ist Andreas Müller ein Arzt mit Voraus- und Weitblick. Er behält die internationalen Entwicklungen in seinem Fachgebiet stets im Auge und macht sich als wissenschaftlicher Kosmopolit und leidenschaftlicher Forscher stets Gedanken darüber, wie er seinen Patienten helfen kann.
Diese Recherchen führen auch zu seiner Meinung, dass die in Deutschland üblichen Behandlungsverfahren überholt sind. Bei einer Methode wird zum Beispiel die erkrankte Stimmlippe mit einem „Stempel“ in Richtung der gesunden Seite gedrückt, um eine stimmliche Verbesserung zu erzielen. „Doch der Stempel versteift die Stimmlippe“, erklärt Andreas Müller. „Mir geht es um einen möglichst kleinen chirurgischen Eingriff ohne das Einbringen von Fremdmaterial. Die Idee ist es, den Körper sich selbst helfen zu lassen, indem wir einen körpereigenen Nerv implantieren, der die Folgen der Lähmung beseitigt.“
Mehrere bereits erfolgreiche Behandlungen bestätigen ihn in seiner Theorie von der sogenannten „Reinnervation“ und der Selbstheilungskraft des Körpers. Eine Methode, nach der Müller und sein Team auch Melanie Heller erfolgreich operierten.
Hierbei wird ein mit nur 0,5 Millimetern mikroskopisch kleiner Spendernerv aus dem Halsbereich entnommen und dem Patienten anschließend wiedereingesetzt. Da er paarig auftritt, sind bei diesem Eingriff in der Regel keine Fehlfunktionen zu befürchten. Vor der rund zweistündigen Operation werden die Patienten zunächst gründlich untersucht. Zum Einsatz kommen dabei modernste Methoden. Zum Beispiel die 3-D-Endoskopie für hochauflösende Aufnahmen oder die Elektromyografie (EMG), mit der die elektrischen Aktivitäten eines Muskels gemessen werden können. Nach dem Eingriff folgt die Rehabilitationsphase, in der ein Phoniater mit dem Patienten trainiert und die wiedergewonnene Stimmfunktion prüft.
Zwar bedauert Andreas Müller sehr, dass das Verfahren hierzulande noch nicht so bekannt ist wie in den USA, Japan, Frankreich oder Großbritannien. Doch das ansteigende Interesse lässt ihn hoffen, dass sich die innovative Methode auch bei uns bald durchsetzt. In Gera wurden bereits mehr als zehn Patienten erfolgreich damit behandelt.
„Die Stimme hat großen Einfluss darauf, wie wir wahrgenommen werden, sie prägt unsere Identität. Der Verlust ist für jeden Menschen schlimm, aber für diejenigen, die ihr Geld beispielsweise mit Singen oder Sprechen verdienen, kann er existenzbedrohend sein“, sagt Andreas Müller. „Kürzlich ließ sich deshalb ein prominenter österreichischer TV-Moderator bei uns operieren.“ Nach der Behandlung durften sich der Chefarzt und sein Team dann über einen handgeschriebenen Brief freuen – von einem mehr als glücklichen Moderator mit neuer Stimmkraft. Auch Melanie Heller war nach dem Eingriff überglücklich – und mehr als erleichtert.
Geduld musste sie allerdings mitbringen. Denn bis der Nerv wieder erfolgreich eingewachsen ist und die bleibende Stimmverbesserung einsetzt, kann es bis zu vier Monate dauern. In Ausnahmefällen kann dieser Prozess durch eine Unterspritzung der Stimmlippe mit Hyaluronsäure beschleunigt werden, die sich innerhalb eines Vierteljahres wieder selbstständig abbaut. Damit bietet sie insbesondere für Sänger, Sprecher oder Manager, die auf die möglichst schnelle Genesung angewiesen sind, eine aussichtsreiche Perspektive.
Aktuell ist Chefarzt Professor Andreas Müller in der Fachabteilung HNO des SRH Wald-Klinikums Gera im Einsatz. Hier behandeln er und sein Team Hör- und Stimmstörungen sowie Kehlkopf- und Atemwegsverengungen. Darüber hinaus werden plastisch-ästhetische Eingriffe durchgeführt.